Dienstag, 15. September 2015

SIBIRIEN/MONGOLEI - Schamane Franz und der Junge Lauser in Jurtenhausen



Wir fahren mit dem Bus von der ostsibirischen Hauptstadt Irkutsk durch unendliche Taiga Richtung Baikalsee, immer entlang dem Angara-Fluss. An der Stelle, wo der Baikal in die Angara abfließt, meine ich eine plötzliche, leichte Unruhe bei Franz, dem Senior unserer meist ausgeglichenen, öfters unernsten, jedenfalls liebenswerten Gruppe zu spüren. Kann mir das vorerst nicht erklären. Wir sind hier ganz nahe einer kleinen, mitten aus dem Wasser ragenden Felsspitze, dem „Schamanenstein“, der für das hier heimische Volk der Burjaten heilig ist. Mit dem eine, falls nicht ganz wahre, doch sicher nicht unplausible Legende verbunden ist: Vater Baikal wollte seine hübsche Tochter Angara mit dem Fluss Lena verheiraten. Doch Angara hatte einen Geliebten, den starken Yenissei. Vor lauter Zorn schleuderte der Vater seiner Tochter einen großen Felsbrocken nach. Etwas unpädagogisch und nicht ganz die feine sibirische Art. 


Der Rest dieses Felsens ragt heute noch aus dem Wasser, wir können ihn gut erkennen. Die alten Schamanen, die neben Geisterheiler auch als Magier und Richter anerkannt waren, befahlen, dass Angeklagte, deren Schuld nicht eindeutig erwiesen war, die Nacht auf diesem Felsen verbringen mussten. Waren sie am nächsten Morgen nicht ertrunken (oder erfroren), galten sie als unschuldig. Es scheint, dass die burjatischen Schamanengeister gerade mit Franz Kontakt aufgenommen haben.

Ist auch kein Wunder: Franz ist der international und regional wenig bekannte, aber wahrscheinlich stärkste Schamane des Marchfelds. Er wurde von den Naturgeistern des Wagram berufen, die mit den Ongos, den mongolischen Geisterkollegen, verwandt sind. Er ist  ein Zairan, ein Vertreter des „Schwarzen Schamanismus“ (im Gegensatz zu der vom Lama-Buddhismus beeinflussten Richtung des  „Gelben Schamanentums“). Als wir die Reise antraten, war mir dies völlig unbekannt. Es sollte auch noch vier Tage, bis heute dauern, bis  mein spirituelles Auge zu Blinzeln begann und ich erkannte, dass wir eine Mischung aus Medizinmann und Geisterbeschwörer in unserer Reisegruppe haben. 

Er hat uns dann am Abend in unserem Blockhüttenhotel im Dorf Listvjanka bei einem spontanen Festl auch ausreichend  Energie geschickt, um bis nach Mitternacht die Bierkrügel zu stemmen, die Wodkaflasche(n) aufzubekommen und die Mischung aus Udo Jürgens und U2 aus dem I-Pad ohne Gehörprobleme zu konsumieren.Und hat sich mehr kater- als geisterheilend am nächsten Morgen wirklich um uns bemüht.

Mit der Transsib geht es über Ulan Ude, der Hauptstadt der russischen Republik Burjatien, über die Grenze in die Mongolei. Am übernächsten Morgen erreichen wir Ulaan Baatar.

Wir sind zu Besuch in der berühmtesten Tempelanlage der Hauptstadt, dem Gandan-Kloster. Hunderte Mönche, ein Riesenbuddha und tausende kleine Buddhastatuen. 



Franz und Mitreisende Sabine (die für Franz immer aufmerksam die Tasche mit den schamanischen Utensilien trägt; die er ins Herz geschlossen hat und um die er sich irgendwie wie ein Vater sorgt) posieren vor den Gebetsmühlen. 
 
Franz in charmanter Begleitung
Es spazieren Mönche vorbei, andere Besucher. Dann tritt plötzlich eine Schamanin (mongolisch: Udgan) hinzu, leicht erkennbar am blauen Gebetsschal. Sie hat einen schwer aussprechbaren Namen, sodass wir sie alle einfach Christine nennen. Wir merken sofort, zwischen ihr und Franz gibt es eine besondere Verbindung. 

Als wir im Herzen von UB, auf dem riesigen Such Baatar-Platz sind, versprüht Franz offensichtlich viel magische Energie, sodass ihn ein frisch verheiratetes Paar anspricht. Junge Brautleute lassen sich  traditionell vor der großen Dschingis Khan-Statue über den Stiegen des Parlaments fotografieren. Die beiden bitten ihn spontan, ihnen Kraft (für viele kleine Mongolenkinder) zu übertragen und sie vor bösem Zauber zu schützen. Überreden ihn zu einem gemeinsamen Hochzeitsfoto.




Wir verlassen die Verkehrsstaus der mongolischen Metropole und fahren in den Terelj Nationalpark. Unterwegs sehen wir eine gigantische Reiterstatue, schon wieder Dschinghis Khan. Mit dem Lift im Popo fahren wir bis zum Kopf seines Pferdes. 


Zairan und Ugdan

Von der Pferdekopfterrasse bietet sich ein toller Panoramablick auf unendliche Wiesen und Hügel. Danach sind wir auf einmal fast allein, umgeben von Ruhe und Entspannung vermittelnder, eindrucksvoller, hügeliger Graslandschaft und beginnender Berge. Wir stoppen an einer Passhöhe, blicken ins nächste Tal, bewundern einen Ovoo. 



Das sind kultische Steinhaufen, die Glück für die weitere Reise bringen sollen. Indem man selbst einen Stein hinzufügt und den Ovoo dreimal umrundet. Auch wir umrunden. Schließlich erreichen wir den Nationalpark mit seinen außergewöhnlichen Felsformationen  und einen Talkessel, an dessen Ende sich „unsere“ kleine Jurtensiedlung an den Berg schmiegt.


Franz bewohnt die Jurte Nr 24 (2 und 4 sind schamanische Glückszahlen). Die Gastgeberfamilie ist glücklich, dass der berühmte Schamane aus Austria bei ihnen zu Gast ist. Deswegen wird für uns, vor allem für Franz, eine Spezialität zubereitet: „Ziege aus der Milchkanne“. Wobei die Ziege ein Lamm ist und die Milchkanne ein riesiger Kochtopf. Wir lassen uns das Festmahl abends alle schmecken.




Die Frau des Gastgebers ist offensichtlich nicht nur die Herrscherin über Milchkanne, Küche und Jurtencamp,  sondern von eigentlich allem hier. Kümmert sich um uns. Zeigt uns stolz ihren kleinen Sohn, stellt ihn ehrfurchtsvoll auch Franz vor.


Irgendwie verstehen wir, dass sie ihn um Schutz vor bösen Geistern und langes Leben für ihren Buben bittet. Franz muss dazu mit den Ongos Kontakt aufnehmen, muss in einen anderen Bewusstseinszustand wechseln. Die ostasiatischen Schamanen benützen dazu ihre Trommeln, die "Henggereg". Für einen echten schwarzen Schamanen aus Niederösterreich ist klar, da hilft nur Weißwein. Und weil es ja um den kleinen Sohn der Gastgeberfamilie geht, entschließt sich Franz für den „Jungen Lauser“. Natürlich vom Gaunersdorfer >>> aus Großengersdorf. Sabine hat nicht ganz zufällig eine Flasche in der Requisitentasche. Jahrgang 2014 (schon wieder 2 und 4...).

Wir durften dieser schamanischen Zeremonie und der Seelenreise leider nicht beiwohnen. Ich kann aber bildlich dokumentieren, dass Franz die Lauser-Bouteille zum Einkühlen einfach vor seine Jurte gestellt hat. Und bestätigen, dass – oh Wunder – die Flasche am nächsten Tag leer war. 


Die Weinauswahl ist verblüffend, ja mystisch passend. Der Cuvee von Andreas Gaunersdorfer aus Grünem Veltliner, Weißburgunder und Muskat Ottonell ist frisch, fruchtig und jugendlich frech. Auch Temudschin, der spätere Welteroberer Dschingis Khan, war in seiner Jugend ein wilder, oft stürmischer Lauser. Gute Aussichten für den zukünftigen Juniorchef von Jurtenhausen!


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