4.September 2012
Ankunft
in Peking um fünf Uhr früh, unsere AUA ist mehr als pünktlich.
Morgengrau mischt sich mit Beton-Grau und schimmerndem Stahl-Grau des
supermodernen Beijing International Capital Airport (dessen Terminal 3
ist das größte Gebäude der Welt – gleich der richtige Einstieg ins neue
China). Dazwischen die Farbtupfer der noch geschlossenen Geschäfte und
der Richtung Immigration schlurfenden Fluggäste. Alles ist weitläufig,
supermodern, kontrolliert, geregelt. Die Shuttle-Bahn, die uns zum
Ankunftsterminal bringt, ist computerferngesteuert. Auch wir warten
etwas ferngesteuert auf unsere Koffer. Vergleichen ein bißchen und
vergeblich mit dem neuen “check-in 3” gestern beim Abflug in Wien-Schwechat.
(Im Oktober 2017 soll ein zweiter internationale Flughafen eröffnet
werden. Mit bescheidenen 9 Pisten. Ausgelegt für 60 Millionen
Fluggäste.)
© Foster Beijing Capital
Am
Ausgang werden wir von zwei Zhangs begrüßt. Einer ist mein langjähriger
Geschäftspartner, der andere ist der Pekinger Fremdenführer. Beide sind
ekelhaft hellwach. Der Vorteil der frühen Ankunft: der Strassenverkehr
ist ebenso erst am Erwachen wie wir, die breite Autobahn gehört fast nur
uns. Eine Stunde später wären wir schon im Morgenstau gesteckt. Ich
sehe auch zwei Radfahrer.
Wir
wohnen im Paragon Hotel, einem modernen Gebäude mit großem Atrium
visavis des alten Hauptbahnhofs. Zur vollen Stunde klingt vom
Bahnhofsuhrturm die alte Mao-Hymne “Der Osten ist rot”. Ziemlich retro,
skurril, spassig. Zumindest die ersten zwei Mal. Beim heutigen
Jetlag-Nachmittagsschlaf und dann täglich um sechs Uhr früh wird mich
der rote Osten brutal aus meinem Schlaf reissen. Ich werde mich rasch
nach der Vorstadt-Morgenruhe von Wien-Mitte sehnen.
Die Zimmer
sind jetzt aber noch nicht verfügbar, daher geht es gleich los. Zum
Tiantan, dem Himmelstempel. Wir sind zur richtigen Zeit dort. Die
älteren und alten Pekinger pflegen ihre Traditionen. Hängen ihre
Vogelkäfige auf, spielen chinesisches Schach und Karten. Machen ihre
Körperertüchtigungen, wecken ihr Qi, teilweise in großen Gruppen. Etwas
weiter turnen, nein, schwingen zahlreiche Pärchen zu chinesischer
Almdudlermusik. Und beim Aufgang zur Tempelanlage tanzen hunderte Frauen
und Männer den tibetischen Schneewalzer. Viele Frauen glauben,
sportlich-elegant gekleidet zu sein. Viele glauben auch, tanzen zu
können. Sie sind alle sehr engagiert, konzentriert und tüchtig.
Ertüchtigt. Traditionelles China schon zum Anfang unseres Aufenthalts.
Alle
öffentlichen Strassen und Plätze und natürlich die historischen
Besichtigungorte sind in China blitzsauber. Wir wandern auf dem Weg vom
“Mittelpunkt der Erde” (glauben zumindest die Chinesen; wir wissen: der
neue Nabel der Welt liegt in Franks Großwaltersdorf) zum Himmelstempel.
Auf der fengshuimäßig angelegten und Qi verströmenden Nord-Süd-Achse.
Mein dadurch energiegeladenes Auge entdeckt ein paar weissgraue Brösel
nahe der marmornen Terrassenbrüstung. Mein durch eigenen Charakter, aber
vor allem durch stetiges, fast freundliches Erinnern meiner Frau
geschultes Sauberkeitsbewusstsein schlägt Alarm. Sofort nehme ich meinen
Klappbesen aus dem Reiserucksack.. schwupps, schon fügt sich die
schmutzbefreite Bodenfliese wieder in höchster Harmonie in den
keimfreien Platz rund um den Himmelstempel, der eigentlich kein Tempel
ist, sondern die “Halle der Ernteopfer”. Hier haben die Ming- und
Qing-Kaiser um gute Ernte gebetet...
Verunsicherung kommt auf. Waren das zuerst auf dem Boden Reiskörner? Von mir leichtsinnig weggekehrte Opferreste? Sie bekommen plötzlich eine kosmisch-spirituelle, auch kosmo-ökonomische Bedeutung: werde ich durch meinen Putzfimmel an der nächsten Mißernte schuld sein? Wird jetzt die chinesische Regierung umgebildet? (Anmerkung: ist schon passiert). Wird dadurch der Kurs des Euro steigen? Ist Griechenland und Kärnten gerettet?
Verunsicherung kommt auf. Waren das zuerst auf dem Boden Reiskörner? Von mir leichtsinnig weggekehrte Opferreste? Sie bekommen plötzlich eine kosmisch-spirituelle, auch kosmo-ökonomische Bedeutung: werde ich durch meinen Putzfimmel an der nächsten Mißernte schuld sein? Wird jetzt die chinesische Regierung umgebildet? (Anmerkung: ist schon passiert). Wird dadurch der Kurs des Euro steigen? Ist Griechenland und Kärnten gerettet?
Genug
der Spekulationen, ich kann nicht mehr schweigen. Meine Besen-Aktion
hatte viel schlimmere, ja für die chinesische Geschichte und das
Selbstbewusstsein des "Reichs der Mitte" schreckliche Folgen. Der
Himmelstempel begann auf einmal zu schrumpfen, dann verschwand er
vollkommen. Die Bilder dokumentieren es: unsere Gruppe betrachtet
erschrocken die ersten Veränderungen. T., unser AUA-Begleiter, hat sich
schon mit Schrecken abgewandt. Bild 2: der dramatisch verkleinerte
Himmelstempel. Die Menschen laufen verwirrt und verunsichert herum. Und
schließlich: der Tiantan hat sich aufgelöst, ist einfach weg. Übrig
bleibt nur der Marmorsockel.
Abends
hat uns der Besuch einer Teestube, wo auch Reisschnaps und Johnny
Walker serviert wurden, geholfen, den Schock zumindest zu lindern. Ich
werde nie wieder einen Besen angreifen.
Pflichtbesuch
am Tianmen-Platz, dem "Platz des himmlischen Friedens", dem mit 58ha
größten Platz der Welt. Den gibt es noch, übrigens seit dem
15.Jahrhundert. Hier herrscht inmitten hektischer Besucher tatsächlich
“himmlischer Friede”. Überwacht von zahlreichen Sicherheitsleuten und
Polizei. Zum Teil offen, zum Teil versteckt oder unglaublich
unauffällig. Von den Police-Segways faked in China sind wir beeindruckt.
Auch den Besuch im Mao-Mausoleum lassen wir uns nicht entgehen (da es
erfreulicherweise heute keine Besucherschlangen gibt), gehen an Unmengen
von weissen Blumen und am Kristallsarg vorbei – Fotografieren leider
strengstens verboten.
Kein
Peking-Besuch ist komplett ohne Besuch der Grossen Mauer. Und dem
Verschmausen einer Peking-Ente. Auch wir hielten uns dran.
6.September
Bis
zu 100 000 Tausend Besucher stürmen zu Hochsaisonzeiten den
eindrucksvoll restaurierten Abschnitt der Mauer am Badaling-Pass. Pro
Tag! Der Großteil kommt zeitig bis vormittags, ca. 70 000 Chinesen sehen
gerne allein die aufgehende Sonne, spazieren, fotografieren und
unterhalten sich. Nachmittags sind es immer deutlich weniger. Und aus
Erfahrung weiss ich: fast alle Besucher gehen nach rechts (Nordosten)
aufwärts. Nach links, in Südrichtung, besteigt fast niemand den
Mauerkoloss. Wir sind daher ganz allein. Können ungestört die teilweise
sehr steilen Passagen und Stiegen erklimmen und herrliche Panoramafotos
machen. Und: wir haben den blauesten Himmel, den ich je in China gesehen
habe. Es gibt natürlich auch weitere zugängliche Mauerabschnitte -
siehe "Reiseziel China".
Abends steht "Peking-Ente" am Programm und auf der Speisekarte. Das bekannteste und berühmteste Gericht in Peking und ganz China. Der Koch braucht eine langjährige Ausbildung, bis er perfekt zubereiten und tranchieren kann. Ich hab ihm über die Schulter geschaut >>>
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