Dienstag, 2. Dezember 2014

NORDNORWEGEN - Hasentanz am Nordkap

Trolle sind Fabelwesen aus dem hohen Norden. Dachte ich seit den Zeiten, als mir meine Großmutter Trollgeschichten aus einem riesigen Märchenbuch vorlas. Nun schon ein paar Jahre her, aber in meinem Langzeitgedächtnis perfekt abgelegt. Mit den Trollen sind zahlreiche mystische Legenden verbunden, sie leben in den Wäldern Skandinaviens. Daher war die Überraschung groß, als ich unlängst bei einem Besuch im Kellerlabyrinth der Weinbauernfamilie Gaunersdorfer >>> in Großengersdorf (Marchfeld/Weinviertel; nur 20 km von Wien) eine unheimliche Begegnung hatte.
 
Ich war der Letzte unserer kleinen, weinverkostenden Gruppe, hatte mich vom Weinheber gerade verabschiedet, wollte gerade die Kellerröhre verlassen. Da sah ich hinter einem Faß im Presshaus ein kleines, leicht buckliges Wesen,  mit großen, erschrockenen Augen und einer nicht richtig kleinen Nase. Ein Verkostungsopfer? Ein verirrtes Bergzwergerl aus dem nahen Böhmen? Ein Wagram-Wichtl? Nein, es war ein Verwandter einer nördlichen Trollfamilie. Er hieß Weynbard und an seiner geröteten Nasenspitze erkannte ich, dass der Veltlinerschwund hier im Keller nicht nur auf Verschütten oder undichte Fässer zurückzuführen ist. Es hatte ihn mit schwedischen Truppen im Verlauf des Dreissigjährigen Krieges 1645 ins Weinviertel verschlagen, wo er sich relativ rasch akklimatisieren konnte. Seit vielen Jahrzehnten wünscht er sich, zu seinen Schwestern und Brüdern zurückkehren zu können.
   Eine durchschnittliche Trollfamilie
  Das Denkmal des Unbekannten Trolls am Hafen von Honningsvag

Aber Trolle haben bekannterweise ein Problem: wenn sie in die Sonne gehen, werden sie zu Stein. Zahlreiche Felsen in Skandinavien zeugen von diesem genetischen Defekt. Am Ufer des bekannten Porsanger-Fjords hat es eine Trollgruppe aus Weynbards Familie getroffen. Trollholmsund heißt der Uferabschnitt mit den acht Dolomitfelsen.

Die versteinerten Trolle am Trollholmsund© Stabbursnes Naturhaus und Museum
Es gibt nur eine Möglichkeit, Weynbard zur Rückkehr in die Berge und Wälder Norwegens zu verhelfen. Er erklärt mir: nur wenn die Mitternachtssonne, genau in der Sekunde des Übergangs von der Abend- zur Morgenröte, durch das Lieblingsgetränk des Trolls scheint, kann der Bann gebrochen werden und die Rückreise auch tagsüber und ohne Versteinerungen erfolgen.

Ich bin offenbar auserwählt, Weynbard zu helfen. Denn zufälligerweise begleite ich Mitte Juli 2014 eine Gruppe auf die Lofoten, die faszinierende, uralte Inselgruppe in Nordnorwegen. Mit einem Schiff der Hurtigrute ist es von dort nicht mehr weit Richtung Nordkap, wo die Sonne mitternachts die vom Troll geschilderten Bedingungen erfüllt. Auch das Getränk ist rasch gefunden. Süßen Met (Honigwein) trinken sie gerne, die Trolle. Aber Weynbard hat im Verlauf der vielen Jahre in und unter Großengersdorf, vor allem im Gaunersdorfer Weinkeller, seinen Geschmack verändert. Sein Favorit ist der grüne Veltliner, und hier besonders der DAC (- keine wirkliche Überraschung). Mit der Farbe und der Kraft der Sonne und den Geschmacksnoten von Wiesenkräutern, die ihn an die norwegischen Sommerwiesen und Fjelle erinnern. Andreas, der Jungwinzer, übergibt mir einen Karton “Weinviertel DAC” von der Riede Hasentanz. Den ich ja selbst gerade und mit Begeisterung verkostet hatte. Er glaubt vielleicht, ich sei ein Süffler, aber ich habe eine Mission…

Am 21.Juli abends ist es soweit. Robert, erfahrener Nordland-Reiseleiter und Kenner zahlreicher Trollanekdoten, führt uns über die Hochebene der Nordkapinsel Mageroya zum nördlichsten Punkt Europas. Der dafür bekannt ist, dass es oft stürmt, dass sich die Mitternachtssonne sehr oft hinter dichten Regenwolken und riesigen Nebelbänken verbirgt. Robert macht uns keine Illusionen, unsere  Chancen sind gering. Von unserem Hotel in Honningsvag, dem Hauptort der Insel, fahren wir mit dem Bus die 31 Kilometer zum Nordkap. Schon nach fünf Minuten sind wir im dichten Nebel, können nicht einmal die spektakulären Fjorde, bunten Fischerhäuser und schon gar nicht die Freunde der Trolle, die Rentiere, sehen. Wozu habe ich die schwere Veltliner-Last über tausende Flug- und Buskilometer auf mich genommen? Ist meinem Mitleid mit dem Troll und meiner Hilfsbereitschaft kein Erfolg gegönnt? Muss Weynbard für weitere Jahrhunderte anonymer Alkoholiker in den Gängen des Gaunersdorfer Weinkellers bleiben?

Wir erklimmen die letzten Serpentinen zum Kapplateau. Und plötzlich wird es heller. Die Hochebene ist bereits über den Wolken, die Sonne scheint direkt und tief durch die Windschutzscheibe unseres Busses. Robert und ich und die gesamte Gruppe sind erleichtert, Vorfreude kommt auf. Schon erkennen wir das große Gebäude der Nordkaphalle und im Hintergrund, direkt vor dem Sonnenball, das berühmte Monument mit der Weltkugel. Ich erkundige mich am Infomationsschalter: genau um 0.15 wird die Sonne ihren tiefsten Punkt erreichen, aber nicht untergehen und in ihrer gesamten Größe sichtbar bleiben.

 

Alles weitere ergibt sich von selbst. Genau zum richtigen Zeitpunkt und zur Verwunderung der zahlreichen Nordkap-Besucher platziere ich die Flasche so, dass die Mitternachtssonne durch den DAC Veltliner scheint.

     Prost, Weynbard!
Weynbard kann nach genau 370 Jahren wieder zurück in seine nordische Heimat. Und der Gaunersdorfer Keller ist um einen Besucher ärmer, aber um eine Geschichte reicher. Die Geschichte vom Hasentanz am Nordkap.
INFO: 8-tägige Sonderreise von Eastlink für den Zentralverband der Kleingärtner Österreichs in Kooperation mit dem Reiseveranstalter und (unter anderem) Nordland-Spezialisten GTA-Sky-Ways. Dieser bietet verschiedene Reisevarianten zur Zeit der Mitternachtssonne an, die über Eastlink buchbar sind. Zusätzliche Sonderprogramme, Begegnungen, Fachtreffen etc. für Clubs und Organisationen möglich. Angenehme Sonderflüge mit AUA, kein Umsteigen! Österreichische Komfortbusse!

Kommentare, Anregungen, eigene Erfahrungen, Vorschläge, Reiseanfragen etc. sind willkommen!  tretenhahn@eastlink.at

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